USA. Während in
Deutschland kaum laut darüber nachgedacht wird, setzen sich
US-amerikanische Fachzeitschriften immer wieder einmal mit der Frage
auseinander, wann Demenz-Kranke ihr politisches Wahlrecht ausüben sollten
und wann nicht. Konkreter Anstoß für die Diskussion waren dort u. a. die
Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000, bei denen 537 Stimmen aus Florida
den Ausschlag gaben. Da sehr viele ältere Menschen im Sonnenstaat Florida
leben, von denen vermutlich rund 300.000 unter Demenz leiden, ist
vorstellbar, dass letztere das Wahlergebnis sogar entschieden. Denn die
Wahlbeteiligung der Demenz-Kranken (69 Prozent) schien über dem nationalen
Durchschnitt gelegen zu haben, wie eine Befragung andeutet, die J. H.
Karlawish und Mitarbeiter (2002) durchgeführt hatten. Eine ähnliche
Größenordnung (60 Prozent) ermittelten auch B. R. Ott und Kollegen (2003).
In ihrem aktuellsten
Beitrag (2004) plädieren Karlawish und Mitarbeiter dafür, das Wahlrecht
Demenz-Kranker nicht pauschal von medizinischen oder juristischen
Klassifikationen abhängig zu machen, die ihrerseits keinerlei Bezug zum
Thema Wahlrecht haben. Nach Ansicht der Autoren macht es auch wenig Sinn,
auf die „Fähigkeit zu rationalen Entscheidungen“ abzustellen, da ja auch
viele „Normalbürger“ ihre Wahlentscheidungen oft auf irrationale Momente
stützen. Ein sinnvolleres Kriterium sei die individuell zu beurteilende
Wahlbefähigung. Diese könnte man durch einfache Fragen ermitteln („Wie
wird der nächste.... gewählt?“ „Für welchen der beiden hier vorgestellten
Kandidaten würden Sie sich entscheiden?“). Fehlt es am notwendigen
Verständnis und der Fähigkeit, eine Wahl zu treffen, wäre dies Anlass,
eine eingehendere Untersuchung durchzuführen, von deren Ergebnis dann erst
das Fortbestehen des Wahlrechts abhängen würde. Bevor ein solches
Verfahren in den USA etabliert werden könnte, müssten allerdings noch
zahlreiche Details geklärt und die Öffentlichkeit eingehend informiert
werden.
Bis dahin gilt es,
mit den Schwächen des bestehenden Systems zu leben. Zu ihnen gehört die
Möglichkeit, dass Betreuer auf die Wahlentscheidung Einfluss nehmen bzw.
sogar anstelle des Patienten entscheiden. Was in der Wahlkabine geschieht,
wenn ein Hilfsbedürftiger dorthin begleitet wird, oder wer letztendlich
bei einer Briefwahl den Wahlzettel ausfüllt, entzieht sich meist der
öffentlichen Kontrolle. Immerhin scheint es in einzelnen amerikanischen
Staaten Regelungen zu geben, wonach Wahlhelfer Pflegeeinrichtungen
aufsuchen müssen, um die Ordnungsmäßigkeit der Wahl zu gewährleisten.
Karlawish und
Mitarbeiter betonen, dass die Ausübung des Wahlrechts ein
höchstpersönliches, also nicht übertragbarer Recht ist. Anders als bei
medizinischen Entscheidungen kommt es insbesondere nicht auf einen
mutmaßlichen Willen an, der sich mit Hilfe von Angehörigen erschließen
lässt. Wie Ott und Kollegen in ihrem Beitrag resümieren, könnte man das
Problem „Wahlrecht und Demenz“ auch dadurch etwas entschärfen, indem man
kognitiv beeinträchtigten Menschen das Wählen erleichtert. Hierzu würde es
sich anbieten, die notwendigen Informationen so zu vermitteln, dass auch
Demenz-Kranke ohne fremde Hilfe wählen können.
J. H.
Karlawish u. a.: Adressing the ethical, legal and social issues raised by
voting by persons with dementia. JAMA 2004 (292) 1345-1350; J. H. T.
Karlawish u. a.: Do persons with dementia vote? Neurology 2002 (58)
1100-1102; B. R. Ott u. a.: A survey of voter participation by cognitively
impaired elderly patients. Neurology 2003 (60) 1546-1548 |