Es
kommt nicht nur darauf an „was“ man mit Demenz-Patienten macht,
sondern auch darauf „wie“ man es tut. Wer z.B. bei der Körperpflege
bewußt unterschiedliche Reize einsetzt, hilft dem Kranken, Körper und
Umwelt besser wahrzunehmen (etwa durch leichten Druck beim Einseifen,
abwechselnden Gebrauch von Schwämmen und Waschlappen, Abtrocknen mit
unterschiedlich weichen Handtüchern, Einreiben, Massieren, Einkleiden mit
gut sitzenden Textilien)
Menschen
nehmen ihre Umgebung wie überhaupt Informationen auf Dauer nur wahr, wenn
ihre körperlichen Sinne wechselnd gereizt werden. Dagegen gewöhnt man
sich an eintönige, also gleichförmige Reize, so daß man sie nach
einiger Zeit nicht mehr wahrnimmt. Dies gilt für die Schmerz- und
Temperatur ebenso wie für Tasten, Riechen und Sehen. Wer so an Reizen
verarmt, blendet über kurz oder lang die äußere Realität aus und
verliert die Orientierung. Ein solches Schicksal droht vor allem
Demenz-Kranken, die bettlägerig sind bzw. sich kaum noch bewegen können.
Diese Situation spitzt sich zu, wenn die Betreffenden auch noch „super
weich“ gelagert und lediglich mit Flügelhemden „bekleidet“ sind. Möglicherweise
ist das Körperempfinden eines solchen Menschen mit dem tauben Gefühl
vergleichbar, das man nach einer zahnärztlichen Schmerzspritze verspürt.
Für viele Demenz-Kranke kommt hinzu, daß sie aufgrund altersbedingter Hör-
und Sehbeeinträchtigungen ohnehin nur noch schlecht wahrnehmen können.
Autostimulation
als Notruf
Vor
diesem Hintergrund macht es Sinn, wenn alte Menschen der Reizverarmung
begegnen, indem sie sich selbst stimulieren. Um Informationen über den
eigenen Körper und die Umwelt zu erhalten, schreiten sie gleichsam zur
Selbsthilfe. Typische Beispiele sind
-
Nestelbewegungen auf der Bettdecke,
-
Reiben und Kratzen auf der eigenen Haut,
-
Kratzen mit den Fingernägeln auf dem Tisch und
-
Schaukeln mit dem Oberkörper.
Nach
Ansicht von A. Hartwanger ist die meist monotone und häufig selbstschädigende
Autostimulation ein Hilfeschrei von Menschen, die unter einem Mangel an
sinnlichen Anregungen leiden. Dabei sind die Möglichkeiten der ursprünglich
von A. Frölich entwickelten „basalen Stimulation“ mannigfaltig und
einfach zu verwirklichen.
Mittel
basaler Stimulation
Körperstimulation:
*
Deutlicher Druck bei der Körperpflege (Waschen, Abtrocknen,
Einreiben, Massieren); Richtung: vom Körperstamm zur Peripherie
*
Erweitertes Reizangebot durch Wechsel der Wassertemperatur,
verschieden harte Waschlappen, Schwämme und Handtücher, diverse Waschzusätze
*
Förderung der Körperwahrnehmung durch gut sitzende und vollständige
Kleidung (einschließlich Unterwäsche)
Anregung
des Gleichgewichtssinnes:
*
Schaukeln im Schaukelstuhl
*
gemeinsames Ausführen rhythmischer Bewegungen (z.B. Tanzschritte)
*
Wiegen des Kranken im Arm des Betreuers
Haptische
Stimulation (Tast- und Greifsinn):
*
„Begreifen“ unterschiedlicher Materialien“
*
Hände unter fließendes Wasser halten
*
Sich selbst eincremen
Vibratorische
Anregung:
*
Halten einer elektrischen Zahnbürste, eines Elektrorasierers oder
ähnlich vibrierender Gegenstände mit der Hand
Orale
Stimulation:
(Besonders wichtig für
Patienten, die parenteral ernährt werden, aber auch für Personen mit
Schluckstörungen, um deren Gefühl für den Mundbereich zu fördern und
zu erhalten)
*
Regelmäßiges Bestreichen von Lippen, Zähnen, Zunge und einem
Teil des Gaumens mit den Fingern oder einem großen Wattetupfer (z.B. bei
der Mundpflege)
*
Fördern von Lutsch- und Schluckbewegungen durch harte Brotrinden,
Bratenkruste oder Kaugummi
Olfaktorische
Stimulation:
(Vertraute Gerüche fördern
die Erinnerung!)
*
Körperpflege mit Parfum, Deo oder Rasierwasser, das dem Kranken
lieb und vertraut ist
*
Anregung des Geruchssinnes durch Blumen, ätherische Öle und
Essensdüfte. Sie überdecken den mitunter typischen Geruch der
Betreuungseinrichtung und verbessern so die Atmosphäre.
Visuelle
Stimulation:
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Mobiles, Poster und Bilder mit kräftigen Farben sowie leicht
erkennbaren Motiven
*
Fotos aus dem Privatleben des Patienten.
Schon ein einziger
Gegenstand, der ins Blickfeld gerückt wird, kann den Tag des Kranken verändern!
Frau
Hartwanger betont, daß ihre Anregungen nur Beispiele sind. Die Kreativität
kennt letztlich keine Grenzen. Allerdings darf man den Kranken nicht überstimulieren.
Für den Anfang genügen erfahrungsgemäß täglich ein oder zwei Maßnahmen
für jeweils 15 Minuten.
A.
Hartwanger: Den Körper als Ganzes spüren. Die basale Stimulation in der
Pflege altersverwirrter Menschen. Altenpflege 1996 (21) 587-589
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