USA.
Männliche Patienten mit einer Demenz benehmen sich in der Öffentlichkeit
vermutlich weitaus seltener „sexuell daneben“, als man bisher
annahm. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Untersuchung von Zeiss und
Mitarbeitern an 40 männlichen Demenz-Kranken im Alter zwischen 60 und
98 Jahren. Nur während 1,6 Prozent der gesamten Beobachtungszeit kam
es zu sexuellen Verhaltensweisen, die eindeutig unangemessen waren
(z.B. öffentliches Onanieren). Ansonsten waren nur bei 18 Prozent der
Demenz-Kranken unpassende Verhaltensweisen zu registrieren, die im
allgemeinen aber kurz und unbedeutend erschienen. Am häufigsten
fielen „zweifelhafte“ Verhaltensweisen auf, wie zum Beispiel
halbnacktes Herumlaufen oder das Offenlassen des Hosenschlitzes. Die
Autoren bezweifeln, ob man darin grundsätzlich eine „Enthemmung“
sehen darf (wie es häufig geschieht). Genau so gut könnten die
Kranken damit ihr Unvermögen ausdrücken, sich korrekt anzuziehen
bzw. selbst zu pflegen.
Und noch an einem weiteren
Beispiel illustrieren Zeiss und Mitarbeiter die Relativität des
Merkmals „unangemessen“. So kann es in einer Partnerschaft
jahrelang normal sein, wenn der Mann die Brüste seiner Frau berührt.
Erkrankt der gleiche Mann dann an einer Demenz und verliert die
Ehefrau das sexuelle Interesse an ihm, kann es sein, daß die
Partnerin sein früher „normales“ Verhalten jetzt als
„unangemessen“ einstuft.
Was fördert sexuell
unangemessenes Verhalten Dementer? Den Untersuchern fiel auf, daß
auffällig werdende Alzheimer-Kranke meist erregt und unruhig wirkten
bzw. im Genitalbereich Mißempfindungen verspürten (wie etwa eine
Verstopfung). Demgegenüber neigten Männer mit anderen Demenz-Formen
eher in ruhigen Situationen dazu, sich sexuell unangemessen zu
verhalten. Möglicherweise reagieren sie so auf Langeweile oder
versuchen sie, Aufmerksamkeit zu erlangen, vermuten die Autoren.
A.
M. Zeiss et al.: An observational study of sexual behavior in demented
male patients. J. Gerontol. 1996 (6) M325-329