Kroatien. Möglicherweise
fördern schwere Belastungen, wie Kriegsereignisse, vor allem bei jüngeren
Menschen das Auftreten einer Demenz. Auf ein derartiges Risiko weist
eine prospektive Studie an 538 durch Krieg schwer traumatisierten
Menschen mit einem Mindestalter von 45 Jahren hin, über die V.
Folnegovic-Smalc und Mitarbeiter berichten.
Die kroatischen
Wissenschaftler verglichen die in zwei Flüchtlingslagern lebende
Gruppe mit einer nach Alter und Geschlecht vergleichbaren Gruppe von
Personen aus dem Raum Zagreb. In beiden Kollektiven überprüften sie
mit Hilfe anerkannter Diagnose-Kriterien (DSM-III-R, NINCDS-ADRDA, MMS,
GBS, ADAS), wieviele Menschen im Verlauf von 30 Monaten an einer
Demenz vom Alzheimer-Typ erkranken. Eine vaskuläre Demenz schlossen
sie auf klinischem Weg aus. Im Flüchtlingslager wurden nur solche
Personen in die Untersuchung einbezogen, die mindestens drei schwere
kriegsbezogene Traumen erlitten hatten (wie Hunger und Durst,
Obdachlosigkeit, Tötung eines nahestehenden Menschen, Krankheit ohne
ausreichende medizinische Hilfe).
Nachdem sich zu Beginn der
Untersuchung in beiden Gruppen ungefähr gleich viele
Demenz-Betroffene befunden hatten, schnellte ihr Anteil in der
Traumagruppe innerhalb von weniger als drei Jahren von 1,7 Prozent auf
13,6 Prozent in die Höhe. Dagegen veränderte er sich in der
Kontrollgruppe kaum (von 2,0 auf 2,8 Prozent). Die Unterschiede
zwischen beiden Gruppen blieben auch dann signifikant, wenn man die
Mitglieder in Altersdekaden zusammenfaßte (45-54, 55-64, 65-74
Jahre). Lediglich ab dem 75. Lebensjahr waren Demenzen vom
Alzheimer-Typ in beiden Gruppen gleich häufig. Zwei Drittel der Flüchtlinge,
die dement wurden, hatten fünf oder mehr schwere Traumen erlitten.
Angesichts dieser
Daten vermuten die kroatischen Wissenschaftler, daß schwere
kriegsbedingte Traumen ein Risikofaktor für eine spätere Demenz vom
Alzheimer-Typ darstellen können. Sie räumen ein, daß ihre Studie
sicherlich einige Schwächen hat. So waren Frauen deutlich überrepräsentiert
und gingen nur solche Personen in das Flüchtlingskollektiv ein, die
mit den schwierigen Bedingungen des Lagerlebens zurechtkamen. Schwerer
gestörte Personen, unter denen sich möglicherweise auch
Demenz-Kranke befanden, waren schon kurz nach ihrer Ankunft im Lager
in eine geriatrische Institution überwiesen worden. Schädelverletzungen
oder eine posttraumatische Belastungsstörung schlossen die
Untersucher als mögliche
Demenz-Ursachen aus. Mangels anderer Erklärungsmöglichkeiten
vermuten sie, daß mehrere Faktoren eine Demenz fördern können. Dazu
gehören der abrupte und massive Wechsel der Lebensbedingungen, die
damit verbundene Unsicherheit und Scham sowie der Druck, sich einer völlig
neuen Situation anzupassen.
V.
Folnegovic-Smalc u.a.: Psychotrauma related to war and exile as a risk
factor for the development of dementia of Alzheimer´s type in
refugees. Croatian Medical Journal 1997 (38) 273-276