von
Dr. med. Wolfgang Wittgens, M.A., Leitender Arzt der Abteilung für
Gerontopsychiatrie und Gerontoneuropsychiatrie, Hans-Prinzhorn-Klinik (Hemer),
Universität Witten/Herdecke
Frühere Definitionen der Demenz haben einseitig kognitive
Kriterien verwandt und affektive Symptome ausgespart. Erfreulicherweise
ist hier ein Wandel im Begriff. Denn die Probleme, die im Rahmen der
Demenz auftreten, beruhen keineswegs nur auf Gedächtnisstörungen. Für
die Betroffenen und ihr Umfeld werden besonders psychotische und
depressive Begleitsymptome zur Belastung. Die ICD 10 trägt dieser
Entwicklung bereits Rechnung, indem sie vorsieht, im Rahmen einer Demenz
zusätzlich auch depressive Symptome zu kodieren. Das amerikanische
Schrifttum befaßt sich ebenfalls zunehmend häufiger mit den
nichtkognitiven Begleitsymptomen der Demenz. Obwohl viele Kranke
zahlreiche klassische depressive Symptome bieten (wie gedrückte
Stimmung, Affekt- und Antriebsarmut, ängstlich agitiertes Verhalten,
klagsam weinerlicher Affekt usw.), sind depressive Störungen nach wie
vor ein Stiefkind der Demenz-Behandlung,
Therapeutisch erscheint es wichtig, nicht nur auf die sozial
besonders auffälligen und störenden Symptome angemessen zu reagieren
(wie Aggressivität, Unruhe, Lärm - unter denen vor allem die Umwelt
leidet); als Hinweise darauf, daß es dem Kranken schlecht geht,
verdienen auch die „leisen“ Zeichen ebenfalls Aufmerksamkeit. Wie
andere depressive Patienten ziehen depressive Demenz-Kranke aus einer
Behandlung mit Antidepressiva Nutzen, indem diese die (Er)Lebensqualität
sichtlich verbessert. Weitere nützliche Hilfen bieten das
Methodenspektrum der Verhaltenstherapie und die sog. Validation. Das
zuletzt genannte und von Naomi Feil entwickelte Verfahren achtet
besonders auf die Gefühlswelt der Demenz-Kranken. Es lädt dazu ein,
auf das unmittelbare Erleben der Patienten einzugehen, ohne sich mit
dessen Sinnhaftigkeit auseinanderzusetzen. Der Affekt wird also
aufgegriffen und ernst genommen. Er wird weder ausgeredet, noch durch
Beruhigung besänftigt. Validation akzeptiert Menschen, wie sie sind und
hilft den Helfern, sich mit den Dementen wohl zu fühlen.
Nach
einem Vortrag auf dem 9. Fortbildungskongreß Geriatrie Praxis am 19.
Juni 1998 in Neuss