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Ratschläge für Betreuer

„Verhaltensstörungen“ und „Krisen“ bewältigen

 

Umweltbeteiligung erkennen: Machen Sie sich bewußt, daß „Verhaltensstörungen“ Dementer überwiegend ein Problem der Umwelt sind und weniger der Kranken, die sich an ihrem eigenen Verhalten meist wenig stören. „Gestört“ sind meist die anderen. Deshalb kann es sehr sinnvoll sein, besonders denjenigen zu helfen, die sich gestört fühlen.

 

Relativität von „Verhaltensstörungen“ berücksichtigen: Für sich allein betrachtet ist keine Handlung „verrückt“. Eine solche Wertung rechtfertigt sich erst, wenn man sie in Beziehung zu Werten und Normen „rückt“. So fällt bei einer vornehmen Tafelgesellschaft unangenehm auf, wer kauend und mit Speisen in der Hand umherläuft. Im Rahmen eines Stehempfangs (Cocktailparty) wirkt das gleiche Verhalten dagegen ganz normal. Demenz-Kranken fällt es offenbar besonders schwer, Situationen korrekt zu deuten, um sich konventionsgerecht, also nicht „störend“ verhalten zu können.

 

„Verhaltensstörungen“ sorgfältig dokumentieren: Es hat sich als hilfreich erwiesen, Verhaltensstörungen und die sie begleitenden Umstände möglichst genau zu dokumentieren. Wenig nützlich sind Vermerke wie "19 Uhr 30: K. war aggressiv". Erkenntnis fördernder sind Notizen wie "19 Uhr 30: K. schrie und zerrte an mir, als ich ihn baden wollte. Er wurde ruhiger, als..." Eine genaue Verhaltensbeschreibung erleichtert es, die Wirksamkeit von Medikamenten zu beurteilen. Sie verhindert nicht zuletzt, daß Arzneimittel vor allem dem Interesse der Betreuer dienen oder gar den Kranken "bestrafen". Eine genaue Dokumentation fördert die Wahrnehmung des Kranken. Außerdem erleichtert sie es, selbst kleinere Fortschritte zu erkennen und steigert so auch die Zufriedenheit der Betreuer.

 

Sinneseinbußen ausgleichen: Der Ausgleich von Sinneseinbußen fördert die Orientierung und kann deshalb „Verhaltensstörungen“ verringern. Selbst manche „Halluzinationen“ verschwanden, nachdem Demenz-Kranke optisch besser versorgt worden waren.

 

Erinnerung lenken, um Streit zu entschärfen: Nutzen Sie Ihre Kenntnis angenehmer Lebensereignisse des Kranken, um kritische Situationen wie etwa einen Streit zu entschärfen. Lenken Sie dazu das Gespräch auf angenehme Erinnerungen des Patienten und helfen Sie ihm so, sich in einen positiven Gefühlszustand zu versetzen. Vermeiden Sie umgekehrt Erinnerungen, die mit negativen Emotionen belastet sind und unnötig Gereiztheit, Trauer oder Aggressivität auslösen.

 

Durch Geräusche beruhigen: Leise Geräusche können dem Demenz-Kranken zu nächtlicher Ruhe verhelfen. Sie verringern seine Ängste vor einer fremden Umgebung und erleichtern ihm so den Schlaf. Tagsüber hat sich „weißes Rauschen“, das Demente  über einen Walkman hören, als beruhigend erwiesen. Möglicherweise besteht der Wert äußerer Geräuschquellen darin, daß sich die Kranken nicht mehr selbst durch Stöhnen oder Schreiben akustisch stimulieren müssen.

 

„Altdeutsch“ sprechen: Berücksichtigen Sie, daß sich der Sprachgebrauch der heutigen Alten von dem jüngerer unterscheidet. So atmen die Dementen nicht „Sauerstoff“, sondern „Luft“, Kleider sind nicht „pink“, sondern „rosa“. Auch die Aufforderung, sich zu entspannen“, mag unverständlich sein. Hier hilft vielleicht die Formulierung „wieder locker lassen“ oder der Vergleich mit einem Kissen, das aufgeschüttelt wird.

 

Mit Spiegeln umgehen: Manchmal ängstigen sich Demenz-Kranke beim Anblick ihres Spiegelbildes. Häufig unterhalten Sie sich auch mit diesem wie mit einem Fremden. Wenn die Betroffenen ängstlich reagieren, hat es sich bewährt, ihnen zu raten, die Person im Spiegel anzulachen, dann lache diese auch. Nur selten ist es erforderlich, den Spiegel abzuhängen.

 

 

Heimalltag gestalten

 

Lebenslauf als Betreuungshilfe: Sie erleichtern dem Kranken den Wechsel in die neue Lebenswelt, wenn sie für ihn einen möglichst ausführlichen Lebenslauf erstellen und diese Information den künftigen Heimbetreuern an die Hand geben. In ein solches Schriftstück gehören Hinweise auf feste Gewohnheiten des Kranken, beispielsweise frühes Aufstehen, spätes Zubettgehen, spezielle Reihenfolgen beim Waschen und Ankleiden, bestimmte Vorlieben beim Essen, Familienregeln und -traditionen (Kirchgang, Gestaltung von Festen). Ihre Notizen helfen dem Heimpersonal, bewohner- und biographieorientiert Zeit zu strukturieren und Tagesabläufe zu gestalten.

 

Erinnerungsfördernde Wohnbedingungen schaffen: Frühere Wahrnehmungen werden in einer neuen Situation umso eher erinnert, je mehr sie derjenigen Situation ähnelt, in der die Wahrnehmung erstmalig stattfand. Dies mag erklären, warum sich Gedächtnisleistungen nach einem Umzug verschlechtern und warum die Gestaltung eines Heimplatzes mit eigenen Möbeln auch für die Erinnerungsfähigkeit (nicht nur das Wohlbefinden) nützlich ist.

 

Keine Stationswechsel: Wer einmal auf einer bestimmten Station seine "Bleibe gefunden hat", sollte sie auf Dauer behalten dürfen. Heiminterne Umzüge schaffen nur unnötige Probleme, besonders wenn es sich um die Verlegung auf eine gesonderte Pflegestation handelt. Dies kann bei den Bewohnern panische Angst auslösen, wenn sie den Ortswechsel als Zeichen für den bald zu erwartenden Tod werten.

 

Schubladen und Schranktüren beschriften: Jedem leuchtet ein, daß es dem Demenz-Kranken vermutlich die Orientierung erleichtert, wenn man die Toilettentür entsprechen kennzeichnet. Warum sollte eine solche Hilfe bei Schubladen und Schranktüren nicht gleichfalls greifen?

 

Heimbetreuer für ein Inkontinenztraining gewinnen: Wenn in Heimen lebende Demenz-Kranke inkontinent werden, sollte man überprüfen, ob die betreffende Einrichtung alle Möglichkeiten eines Inkontinenztrainings ausschöpft. Mitunter scheitert dies daran, daß die dortigen Mitarbeiter mit einer solchen Aufgabe überfordert sind (zeitliche Überlastung, ungenügende Ausbildung, schlechte Bezahlung). Manchmal sperrt sich auch die Verwaltung gegen ein personalintensives Inkontinenztraining. Einmalwindeln oder Wäschewaschen können nämlich billiger sein als ein personell aufwendiges Trainingsprogramm.

 

Heimleben auf die Heimbewohner abstimmen (und nicht umgekehrt): Indem die Pflegekräfte alte Gewohnheiten des Kranken berücksichtigen, erhalten sie seinen weitgehend "normalen" Tagesablauf. Die Dinge bleiben "wie sie waren". Sie fördern ein Gefühl von Geborgenheit und wirken wie ein "Sicherheitsgurt", der Unruhe sowie Verwirrtheit verringert, insbesondere bei einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Termine, die den Tag strukturieren und von der Einrichtung vorgegeben werden (wie Badezeiten, Aufstehen usw.) sollten möglichst flexibel gehandhabt werden. Gewohnheiten der Bewohner (also deren "innere Uhr") können dann weitgehend berücksichtigt werden. Flexible Personal-Arbeitszeiten erleichtern es den Betreuern, länger anwesend und damit "sichtbar" zu sein, was wiederum das Gefühl von Sicherheit bei den Bewohnern stärkt.

 

„Speisesäle“ wohnlich gestalten: Die meisten Menschen haben den größten Teil ihres Lebens in Räumen gelebt, die einen wohnlichen Mittelpunkt hatten (häufig ein „Wohn/Eßzimmer“). Alten- und Pflegeheime erheben auch den Anspruch, ihren Bewohnern das Gefühl der Häuslichkeit und Geborgenheit zu vermitteln. Viele von ihnen haben aber immer noch einen zentralen und funktional eingerichteten „Speisesaal“, der ausschließlich der Einnahme von Speisen dient, nur zu genau festgelegten Zeiten benutzt wird und oft fern von den Schlafzimmern liegt. Die Fortsetzung eines „normalen, alltäglichen Lebens“ ist in einem solchen Umfeld schwer vorstellbar. Warum sollte man nicht den zentralen Speisesaal zugunsten mehrerer überschaubarer Wohngruppenräume“ auflösen? Diese könnten in der Nähe des eigenen Zimmers liegen und so die Kontaktaufnahme zwischen den Bewohnern der gleichen Pflegegruppe fördern.

 

Durch Glaswände in Tagesräume einladen: Demenz-Kranke reagieren auf direkte Aufforderungen, Drängeln oder auch leichten körperlichen Zwang mit Unwillen und Widerstand. Enge Räume erzeugen Angst und Drang zum Fortlaufen. Um einem Kranken die Teilnahme an den Beschäftigungsangeboten zu ermöglichen, ist es deshalb sinnvoll, alle Tagesräume durch große Glaswände oder -türen von den Fluren zu trennen. Die Vorbeigehenden werden durch die dort stattfindenden Aktivitäten animiert und entscheiden frei und spontan über ihre Teilnahme.