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Wein als Demenz-Prophylaxe?

Frankreich. Immer häufiger berichten die Medien über die gesundheitsfördernde Wirkung geringer Alkoholmengen. Nun glauben französische Forscher, auch für die Demenz einen schützenden Effekt entdeckt zu haben. In einem Vergleich zwischen abstinenten Senioren und mäßigen Trinkern fanden sie heraus, daß von den letzteren prozentual gesehen weitaus weniger Personen an einer Demenz erkrankten als von den komplett abstinenten: Das Demenz-Risiko der Rebensaft-Freunde betrug weniger als ein Fünftel desjenigen Risikos, das sich für die Gruppe der Konsumenten nicht-alkoholischer Getränke errechnete! Interessanterweise erzielten die mäßigen Trinker bereits in der Eingangsuntersuchung kognitiv bessere Testergebnisse (Mini Mental State Test). Auch auf die Unterform „Alzheimer-Demenz“ schien sich mäßiger Weinkonsum günstig auszuwirken, da das Erkrankungsrisiko um den Faktor 0,28 niedriger lag als bei den Nichttrinkern.

   Diese und weitere Ergebnisse liefert eine prospektive Studie, die 3.777 Senioren (= 65 Jahre und älter) aus den Gegenden Gironde und Dordogne beobachtete. Sie erfaßte u.a. deren Alkoholkonsum und fahndete gezielt nach neu auftretenden Demenzen. Drei Jahre später standen noch 2.273 Personen für Folgeuntersuchungen zur Verfügung. Wein war dasjenige alkoholische Getränk, das 95 Prozent aller regelmäßigen Trinker konsumierten. Als „mäßige“ Trinker galten Personen, die täglich 3 bei 4 Gläser Wein zu sich nahmen (entsprechend 250 bis 500 ml).

   Geringfügiger Weinkonsum (lediglich ein bis 2 Gläser täglich) ging nur bei der Alzheimer-Demenz mit einem vergleichsweise geringeren Erkrankungsrisiko einher. Selbst für sehr starke Trinker errechnete sich mit 0,31 noch ein günstiger Wahrscheinlichkeitsfaktor. Doch war dieser statistisch nicht signifikant.

     Die französischen Forscher setzen sich sehr kritisch mit den möglichen Schwächen ihrer Studie auseinander. So ist denkbar, daß stark Demenz-gefährdete Trinker gar nicht erst in die Studie aufgenommen werden konnten, weil sie schon vorher verstorben waren. Ebenso ist vorstellbar, daß ehemalige Trinker aufgrund beginnender kognitiver Einbußen bereits am Studienanfang das Interesse an Alkohol verloren hatten und deshalb fälschlicherweise der Gruppe der „Abstinenzler“ zugeordnet wurden, wo sich die Demenz dann endgültig manifestierte. Weitere Bedenken ergeben sich aus der großen Zahl von Personen, die für die Nachuntersuchung nicht mehr zur Verfügung standen. Vielleicht befanden sich unter ihnen viele Trinker, die vorher verstorben waren oder aufgrund einer Demenz sich weigerten, sich erneut testen zu lassen. Dies würde dazu beitragen, daß sich die Situation unangemessen günstig für Alkoholkonsumenten darstellt.

   Wie könnte man es sich nun erklären, warum Alkoholkonsumenten möglicherweise seltener an Demenzen erkranken? Denkbar ist,

·      daß die antioxidierende Wirkung von Rotwein Alterungsprozesse bremst,

·      daß die bei Alkoholtrinkern erhöhten Apolipoprotein-E-Plasmaspiegel den Mangel dieser Substanz in dementen Gehirnen ausgleichen oder

·      daß sich Alkohol speziell auf vaskuläre Risikofaktoren einer Demenz günstig auswirkt.

   Alles in allem ziehen die französischen Autoren relativ vorsichtige Schlußfolgerungen. Entschieden lehnen sie lediglich die Hypothese ab, daß geringfügiges oder mäßiges Trinken von Wein das Risiko erhöht, nach dem 65. Lebensjahr an einer Demenz zu erkranken. Es bestehe daher kein medizinischer Grund, ältere Menschen vor dem Genuß einer weniger Gläser Wein zu warnen. Unklar ist, ob die beschriebenen  Phänomene speziell mit Wein oder nur mit dem im Wein enthaltenen Alkohol zusammenhängen. Das können erst ähnliche Untersuchungen mit anderen alkoholischen Getränken zeigen. Im Augenblick erscheint es jedenfalls noch verfrüht, mäßigen Weingenuß zur Demenz-Prophylaxe zu empfehlen.

J.-M. Orgogozo et al.: Wine consumption and dementia in the elderly: a prospective community study in the Bordeaux area. Rev. Neurol. (Paris) 1997 (153) 185-192